
Europa rüstet auf. Deutschland voran. Und mittendrin: Friedrich Merz – der Mann, der sich selbst für die strategische Wiedergeburt der Bundeswehr hält. Nur leider mit der Empathie eines Kassenwarts und der Diplomatie eines Presslufthammers.
Der neueste Geniestreich: Eine deutsche Panzerbrigade in Litauen. Direkt an der russischen Grenze. Weil nichts mehr für Frieden steht als schwer bewaffnete Stahlklötze im Vorgarten des Nachbarn. Natürlich nur zur Abschreckung. Und falls Russland mal wieder „aus Versehen“ über die Grenze spaziert – mit 40 Divisionen und einem Akkordeon.
Merz will die stärkste Armee Europas. Das klingt irgendwie nach historischem Déjà-vu, bloß ohne Pickelhaube. Während andere Länder über Bildung, Digitalisierung oder vielleicht sogar Frieden reden, träumt unser Friedrich vom Leopard 2 mit Merz-Logo auf der Kette. Der Mann denkt wohl, Stärke in Europa misst man in Panzerrohrdurchmessern.
Und wehe, man stellt das in Frage. Dann ist man sofort: Putin-Versteher. Kreml-Marionette. AfD-nah. Irgendwo zwischen Telegram-User und Reichsbürger. Die Debatte ist so differenziert wie ein Brathähnchen mit veganer Auszeichnung. Wer kritisch nachfragt, wird nicht widerlegt, sondern etikettiert – und zack, ist man raus aus dem Diskurs. Willkommen in der Empörungs-Republik.
Man stelle sich nur vor, andere Parteien – sagen wir mal: Die AfD oder eine populistische Splittergruppe aus der außerparlamentarischen Ecke – würden fordern, Panzer an die Grenze zu Russland zu schicken. Der mediale Aufschrei wäre ohrenbetäubend. „Unverantwortlich!“, „Brandgefährlich!“, „Kriegshetze!“ – und das zu Recht. Nur: Wenn Merz es tut, gilt es als staatsmännisch. Offenbar entscheidet nicht die Maßnahme, sondern der Absender darüber, ob etwas als Gefahr oder als „klare Kante“ gilt.
Man fragt sich ja wirklich: Was würde passieren, wenn Russland Truppen in Mexiko stationiert? Oder in Kuba wieder eine Basis eröffnet, wie früher in den 60ern? Richtig, dann wäre der Dritte Weltkrieg wahrscheinlich eine Frage der Tageszeit. Aber wenn Deutschland Panzer an die russische Grenze schickt, dann ist das „Verantwortung in Europa übernehmen“. Orwell hätte seine Freude.
Wir tun genau das, wofür wir Russland anklagen – Truppenverlagerung, Muskelspiel, geopolitisches Dominanzgehabe. Nur dass wir es westlich, demokratisch und selbstverständlich ganz uneigennützig meinen. Weil wir ja die Guten sind. Und wenn die Guten Panzer rollen lassen, dann ist das halt ein Beitrag zur Stabilität. Ironie? Nein, deutsche Außenpolitik.
Und dabei ist die reale Bedrohungslage längst entzaubert. Russland kämpft sich mit Mühe durch die Ukraine, hat wirtschaftlich zu kämpfen und politisch kaum Rückhalt im Westen. Spoiler: Russland ist nicht so gefährlich, wie man uns glauben machen will. Die Vorstellung, dass Putin morgens aufwacht und denkt: „Heute nehme ich mir mal Litauen vor“, ist nicht realistisch – sie ist politisches Theater mit Pyroeffekten. Was hier passiert, ist keine Sicherheitspolitik – das ist Panik-PR. Eine angstgeschwängerte Dramaturgie, um das eigene radikale Vorgehen zu legitimieren. Und der deutsche Michel? Der nickt artig, kaut sein Nachrichtenbrot und denkt: „Wird schon stimmen, ist ja schließlich CDU.“
Dabei hatte man uns doch nach dem Kalten Krieg eine neue Ordnung versprochen – Sicherheit durch Abrüstung, nicht durch Eskalation. Stattdessen sind wir zurück im Modus „Wir zeigen Stärke“, als hätte man 1989 nur kurz auf Pause gedrückt. Jetzt läuft das Spiel weiter, bloß mit schlechterer Grafik und einem Merz als Kanzler-Versuchskaninchen im NATO-Kostüm.
Aber gut, sagen wir mal, Russland wäre tatsächlich ein unberechenbarer Aggressor. Dann stellt sich doch erst recht die Frage: Warum provozieren? Warum nicht diplomatische Stärke zeigen? Warum nicht moderieren, vermitteln, deeskalieren? Weil das unsexy ist. Und weil man mit einem Fernsehbild von Panzern mehr Likes bekommt als mit einem zähen UN-Bericht über Dialogbereitschaft.
Merz spricht von Verantwortung, aber meint Machtdemonstration. Er spricht von Frieden, aber spielt mit dem Feuer. Und er spricht von der Mitte, aber driftet politisch so weit nach rechts, dass selbst die NATO einen Kompass braucht, um ihn zu finden. Gleichzeitig betont er ständig, wie wichtig die Demokratie sei – während er friedenspolitische Skepsis gleichsetzt mit Extremismus. Herrlich paradox.
Gleichzeitig fällt auf: Die, die lautstark gegen die AfD trommeln und jede abweichende Meinung zur Gefahr erklären, übernehmen genau die Methoden, die sie kritisieren: Ausschluss, Unterstellung, Generalverdacht. Wer nicht klar auf NATO-Linie liegt, ist verdächtig. Wer sich kritisch äußert, gilt als illoyal. Und wer den Wahnsinn beim Namen nennt, bekommt ein digitales Mündelheft verpasst. Das ist kein Diskurs, das ist ein Tribunal mit Like-Button.
Was bleibt, ist die Angst. Angst vor Krieg. Angst vor Spaltung. Angst davor, dass wir als Gesellschaft gar nicht mehr in der Lage sind, Unterschiede auszuhalten. Dass man nicht mehr sagen darf: „Ich sehe das anders.“ Ohne dass sofort ein moralischer Hochsitz errichtet wird, von dem aus man hinunterspuckt. Wer Ironie noch versteht, kann sich immerhin retten. Alle anderen kämpfen schon in Kommentarspalten um ideologische Luft.
Früher hieß es: „Wehret den Anfängen.“ Heute müsste es heißen: „Wehret dem Einheitsdenken.“ Denn wir stehen nicht nur an einer geopolitischen, sondern auch an einer gesellschaftlichen Frontlinie. Die Frage ist: Dürfen wir noch hinterfragen? Oder ist Kritik der neue Feind? Die neue „Staatsgefährdung“? Mit Merz’ Rhetorik sind wir nicht weit davon entfernt.
Und die Medien? Die berichten natürlich das, was man im Mainstream gerade für angemessen hält. Nicht mehr, nicht weniger.
Wir brauchen keine stärkste Armee Europas. Wir brauchen die stärkste Zivilgesellschaft Europas. Menschen, die Fragen stellen. Die sich nicht abspeisen lassen mit Parolen und Panzerparaden. Die verstehen, dass Frieden nicht durch Lautstärke entsteht, sondern durch Haltung. Und Haltung hat nichts mit Härte zu tun – sondern mit Mut zur Differenzierung.
Das Ding is: Wer wie Merz glaubt, man müsse Stärke zeigen, indem man sich wie die zeigt, vor denen man warnt, hat nichts verstanden. Der Unterschied zwischen Russland und Deutschland darf nicht nur in der Rhetorik liegen – er muss sich im Handeln zeigen. Echte Stärke besteht darin, Frieden zu wollen, wo andere den Krieg vorbereiten. Wer andere für Aufrüstung kritisiert und gleichzeitig selbst aufrüstet, verliert nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern am Ende auch die Kontrolle. Und genau deshalb ist es Zeit, den Panzer aus dem Kopf zu kriegen – bevor er real vor der Tür steht.
Herzlichst, euer Mike Hardel
Was meint ihr? Seht ihr das ähnlich, oder liege ich hier komplett falsch? Lasst uns diskutieren – sachlich, offen und gerne auch kontrovers.
Großartig. Dem ist nichts hinzuzufügen. 🍀
Danke dir!
Und das, obwohl ich sogar noch was hätte hinzufügen können – hab’s mir aber verkniffen.
Man muss ja nicht gleich wieder diffamiert werden, nur weil man denkt. 😉