
Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem sonnigen Samstagnachmittag in einem deutschen Park. Sie lachen. Einfach so. Weil es Ihnen gerade gut geht. Falsch. Lachen ohne Anlass? Verdachtsfall. Inzwischen gibt es einen Vordruck, mit dem Sie Ihre gute Laune beim Bürgerbüro anmelden müssen – spätestens 14 Tage im Voraus und mit Begründung. (Zulässige Gründe: Gehaltserhöhung, bestandene TÜV-Prüfung, Erlaubnis zum Lachen.)
Willkommen in Deutschland, dem einzigen Land, in dem man das Wort „Genehmigung“ öfter hört als „Guten Tag“. Das ist kein Zufall, das ist Staatsräson. Hier wird nicht einfach gelebt – hier wird gelebt nach §27 der Lebensverordnung zur Einhaltung der grundgesetzlich garantierten Humorlosigkeit.
Regelwut – eine deutsche Leidenschaft
Andere Länder haben Leidenschaft für Musik, gutes Essen oder Lebensfreude. Wir? Für Regeln. Während in Italien jemand laut „Mamma mia!“ ruft und spontan eine Pizza erfindet, beantragt ein Deutscher schriftlich die Erlaubnis zur Improvisation – mit zwei Durchschlägen. Und wehe, es fehlt die Unterschrift vom Sachbearbeiter mit Zuständigkeit für kreative Entgleisungen.
In Deutschland wird nichts dem Zufall überlassen. Zufälle sind verdächtig. Wer lacht, ohne dass ein Komiker zertifiziertes Material vorträgt, wird gemeldet. Wer sonntags Rasen mäht, ist ein Outlaw. Und wer sonntags nicht Rasen mäht, aber tanzt, der wird gleich verhaftet – wegen emotionaler Ordnungswidrigkeit.
Bürokratie – das Rückgrat der Spaßvermeidung
Die deutsche Bürokratie ist wie ein guter Weißwein: sie reift über Jahrzehnte, wird dabei immer trockener und verursacht in hohen Dosen Kopfschmerzen. Jeder Lebensbereich ist fein säuberlich geregelt – vom Eierkochen bis zum Sterben. Nur das Lachen, das ist irgendwie nie so richtig mitgedacht worden.
Spontane Grillparty? Nur mit Feuerstätten-Genehmigung, Lärmbelästigungsanalyse und polizeilichem Grillrost-Kalibrierungsnachweis. Eine Reise ins Blaue? Illegal. „Blau“ ist keine anerkannte Destination im Antrag auf temporäre Verortung. Und Urlaub auf Balkonien? Nur mit Balkonnutzungsplan und TÜV-geprüfter Liegestuhlbelastbarkeitsbescheinigung.
Der Deutsche und das schlechte Gewissen
Selbst wenn es gelingt, eine Aktivität genehmigt zu bekommen, bleibt der Feind: das deutsche Gewissen. Es wacht über alles, was Spaß machen könnte. Denn wer sich amüsiert, hat vermutlich etwas zu verbergen.
„Wie, du hattest gestern frei und warst einfach… faul?“ – Entlarvt. Faulheit ist nur gestattet, wenn sie krankheitsbedingt oder durch Burnout beglaubigt wurde. Und selbst dann sollte man sich entschuldigen. Beim Finanzamt. Für die Umsatzlücke im inneren Bruttosozialprodukt.
Kreativität? Bitte einreichen bei Abteilung 47.8.9.
Die Deutschen wären ein künstlerisches Volk – wenn man sie nur ließe. Leider muss jede kreative Äußerung vorab bei der Landesstelle für Ausdrucksgenehmigung (LÄSTIG) eingereicht werden. Genehmigungsdauer: zwischen 4 Wochen und dem St. Nimmerleinstag.
Ein Gedicht schreiben? Nur mit Reimschema-Konformität und dichterischer Unbedenklichkeitsprüfung. Ein Lied singen? Nur nach Aushändigung des Sing-Diploms, ausgestellt von der Kammer für akustische Ausdrucksformen.
Ironie – eine bedrohte Art
Ironie ist im deutschen Regelkosmos wie ein unangeleinter Pudel in der Fußgängerzone: verboten, irritierend und potenziell gefährlich. Wer ironisch spricht, muss damit rechnen, dass man ihn wörtlich nimmt – und dann anzeigt. Satire ist in Deutschland erlaubt, aber nur unter strengen Auflagen: Sie darf niemanden verletzen – außer den eigenen Stolz.
Das Kind darf nicht schaukeln
Neulich in einem Spielplatz in Berlin: Ein Vater wird gebeten, das Schaukeln einzustellen. Grund: die Schaukel quietscht. Das verstößt gegen die Lärmschutzverordnung. Außerdem vermittelt es dem Kind ein falsches Bild von Freiheit. Bewegung? Freude? Wo kommen wir denn da hin!
In anderen Ländern lachen die Kinder auf der Straße. In Deutschland gibt es Spielstraßen – aber wehe, jemand spielt dort. Das Verkehrsamt hat festgelegt: Der Ball darf rollen, aber bitte in Schrittgeschwindigkeit und nur mit haftpflichtversichertem Fuß.
Spaß muss geregelt sein – sonst ist es Anarchie
Der spontane Spaß ist die gefährlichste Form von Anarchie. Er stellt Autoritäten infrage, unterläuft Kontrollinstanzen und – das ist am schlimmsten – könnte ansteckend sein. Deshalb gelten in Deutschland klare Regeln:
- Spaß ist nur in genehmigten Zonen erlaubt.
- Lachen muss von mindestens einem Zeugen bestätigt werden.
- Ironie ist nur in ironiefreien Räumen zulässig.
- Sarkasmus bedarf der Untertitelung.
Warum wir das alles machen? Na, Sicherheit.
In Deutschland sind Regeln kein Selbstzweck. Sie dienen dem übergeordneten Ziel: dem Schutz vor sich selbst. Menschen, die Spaß haben, könnten Fehler machen. Fehler führen zu Chaos. Chaos ist unberechenbar – und damit in Deutschland per Definition eine Naturkatastrophe.
Die deutsche Vision vom Leben:
Ein geordnetes Miteinander aus gut geplanten Langeweile-Einheiten, strukturiertem Müßiggang und kontrollierter Freude. Jeder Bürger bekommt einen Wochenplan, auf dem steht: Montag Sorgen, Dienstag Zweifel, Mittwoch kurz lächeln (nur intern), Donnerstag Papiere sortieren, Freitag: nicken. Samstag: vielleicht Grillen. Sonntag: bereuen.
Was wäre, wenn?
Stellen wir uns vor, Deutschland würde für einen Tag alle Regeln aussetzen. Nur 24 Stunden lang: keine Vorschriften, keine Formulare, keine Verordnungen. Menschen würden tanzen auf Parkplätzen. Grillen auf Verkehrsinseln. Singen in Warteschlangen. Kinder würden auf Rasenflächen spielen – mit dem Ball! Erwachsene würden lachen, laut, ansteckend.
Der Bundestag müsste danach evakuiert werden – wegen emotionaler Kontamination.
Und was bleibt?
Natürlich wird das nie passieren. Denn irgendwo wird jemand schon eine neue Regel aufstellen. Sicher ist sicher. Vielleicht ein Gesetz gegen zu viel Vorstellungskraft. Oder gegen zu viel Text. Oder gegen diese Art von Blogbeiträgen.
Das Ding is:
Spaß ist kein Sicherheitsrisiko. Er ist ein Lebenselixier. Und ja – wir Deutschen lieben Ordnung. Aber vielleicht ist es an der Zeit, Ordnung nicht mehr als Gegenteil von Freiheit zu denken, sondern als deren Rahmen. Ein Land, das seine Bürger ständig reglementiert, verliert irgendwann die Fähigkeit, ihnen zu vertrauen. Und damit auch die Fähigkeit, sich selbst zu überraschen.
Vielleicht sollten wir anfangen, Regeln wieder als Hilfsmittel zu sehen – nicht als Selbstzweck. Uns selbst wieder ein bisschen mehr erlauben. Den Mut zur Albernheit zurückerobern. Und ja, auch mal auf einem Rasen lachen, ohne Antrag. Wer weiß – vielleicht steckt in der genehmigungsfreien Freude genau die Lebendigkeit, die unser Land so dringend braucht.
Natürlich ist das alles ein bisschen übertrieben. Vielleicht sogar sehr. Vielleicht ist mir an der ein oder anderen Stelle die Fantasie durchgegangen. Aber wenn wir ehrlich sind: Manchmal sind wir in Deutschland verdammt nah dran. Und genau deshalb müssen wir alles dafür tun, dass wir wieder mehr lachen, mehr spielen, mehr Unsinn machen. Denn das ist nicht kindisch. Das ist menschlich.
Herzlichst, euer Mike Hardel