
Über seltsame Teilchensignale, tote Theorien und die Chance auf neue Physik
Ich war schon immer fasziniert von Wissenschaft. Nicht unbedingt von dem Moment, wenn einem im Chemieunterricht die Reagenzgläser explodieren, sondern von dem, was dahintersteckt: Warum fällt ein Apfel eigentlich nach unten? Was machen Neutrinos in meiner Müslischale? Jetzt bin ich auf ein Phänomen gestoßen, das mich nicht loslässt: Warum, zum Teufel, klingen Physiker eigentlich immer so, als hätten sie ein Jahr zu lange mit sich selbst gesprochen?
Naja eigentlich gehts darum: Der ANITA-Detektor in der Antarktis hat Signale aufgefangen, die alles in Frage stellen, was wir über Teilchen wissen.
Also habe ich mich mal in ein Thema eingelesen, das so klingt, als hätte es ein Drehbuchautor mit zu viel Freizeit erfunden: Der ANITA-Detektor in der Antarktis hat Signale aufgefangen, die Physiker weltweit in den Wahnsinn treiben. Und das ist keine Übertreibung.
Ich habe Stunden in Fachartikeln verbracht, YouTube-Videos pausiert, um Begriffe nachzuschlagen, und mich durch PDFs gequält, die aussehen wie Ikea-Bauanleitungen in Quanten. Und jaaaaaaaa, ich habe KI benutzt um die Recherchen und Übersetzungen für mich möglich zu machen. Denn glaubt mir, Englisch können und ENGLISCH zu KÖNNEN ist der Unterschied bei der Sache. Und jetzt versuche ich, all das verständlich aufzubereiten – mit einem Kaffee in der Hand und der Hoffnung, dass am Ende mehr bleibt als ein Knoten im Kopf.
Der ANITA-Detektor: Funkohr über der Antarktis
ANITA steht für „Antarctic Impulsive Transient Antenna“. Klingt wie eine obskure Metalband, ist aber ein Ballon mit einem Ring aus Antennen, der in 40 Kilometer Höhe über der Antarktis schwebt. Warum da? Weil dort niemand Netflix streamt und das Funknetz so sauber ist wie der Lebenslauf eines Bundespräsidenten.
Was ANITA macht: Er horcht ins ewige Eis – genauer gesagt auf Radiowellen, die durch sogenannte „Teilchenschauer“ entstehen. Wenn ein hochenergetisches Teilchen aus dem Weltall auf ein Atom in der Erdatmosphäre oder im Eis trifft, entsteht ein Schauer aus weiteren Teilchen – so ähnlich wie ein Dominospiel in Lichtgeschwindigkeit. Dabei entstehen Radioblitze, und genau die versucht ANITA einzufangen.
Soweit, so cool. Doch 2016 und 2018 passierte etwas, das selbst abgebrühte Physiker kurzzeitig wieder an Telekinese glauben ließ.
Rätselhafte Signale: ANITA-Detektor hört aus dem Eis
ANITA registrierte zwei Signale, die sich von allem bisher Gesehenen unterschieden: Hochenergetische Teilchenschauer, die scheinbar aus dem Eis heraus nach oben kamen. Normalerweise erwartet man solche Ereignisse von oben oder vielleicht von der Seite – aber sicher nicht als Rückwärts-Salto aus dem Erdkern.
Die gemessenen Energien waren außerdem absoluter Overkill: etwa 0,6 Exaelektronenvolt. Damit könnte man einen sehr kleinen Toaster für eine sehr kurze Zeit betreiben – oder eben Physiker in Schnappatmung versetzen.
Das Problem? Solche Energien bedeuten, dass das auslösende Teilchen (vermutlich ein Neutrino) die halbe Erde durchquert haben müsste, ohne irgendwo anzuecken. Und das geht laut aktuellem Wissensstand nicht.
Denn je energiereicher ein Teilchen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo hängenbleibt – so wie ein auf Koks gesetzter Einkaufswagen, der durch eine Porzellanausstellung rast. Nach den Regeln der sogenannten Standardmodells der Teilchenphysik ist das, was ANITA da gesehen hat, also eigentlich unmöglich.
Standardmodell: Das Ikea-Regal der Physik
Kleine Einordnung: Das Standardmodell ist die große Schubladenordnung der Teilchenphysik. Es beschreibt alle bekannten Teilchen (Elektronen, Quarks, Neutrinos usw.) und ihre Wechselwirkungen – außer der Gravitation, aber die nimmt eh keiner ernst.
Wenn das Standardmodell sagt, dass ein Neutrino mit dieser Energie nicht durch 5700 Kilometer Gestein kommt, dann heißt das: Es kommt da nicht durch. Punkt. Es sei denn…
…es gibt Teilchen, die wir noch nicht kennen. Und da wird’s spannend.
Was bedeuten die ANITA-Detektor-Signale wirklich?
Seit der Entdeckung brodelt es in der Fachwelt. Einige meinen: Vielleicht waren das keine normalen Neutrinos, sondern sogenannte sterile Neutrinos. Die sind wie die Ninja-Versionen der normalen Neutrinos: Sie interagieren so gut wie gar nicht mit Materie. Perfekt, um sich durch die Erde zu schleichen, unbemerkt wie ein Kind beim Keksdiebspiel.
Andere vermuten, es könnten supersymmetrische Teilchen gewesen sein – insbesondere das ominöse Stau-Lepton. Nein, das hat nichts mit Verkehr zu tun. „Stau“ steht hier für die supersymmetrische Variante des Tau-Leptons, eines besonders schweren Teilchens.
Die Idee: Ein normales Neutrino trifft tief in der Erde auf einen Atomkern, es entsteht ein Stau-Lepton, das dann langsam durch die Erde wandert und erst kurz vor dem Eis zerfällt – wodurch der Schauer entsteht, den ANITA sieht. Klingt abenteuerlich? Ist es auch. Aber es würde die Signale erklären.
Wieder andere bringen Dunkle Materie ins Spiel. Also diese unsichtbare Masse, die das Universum zusammenhält und für die es bisher vor allem… gute Ausreden gibt. Vielleicht zerfällt irgendwo tief in der Erde ein Brocken davon und verursacht das Ganze. Vielleicht. Irgendwann. Theoretisch.
Und dann gibt es noch die ganz Bodenständigen: Die sagen, es war einfach ein Messfehler. Oder ein Effekt, den wir noch nicht verstanden haben – etwa eine ungewöhnliche Reflexion der Funkwellen an einer Eisschicht, die alles nur so aussehen ließ, als käme das Signal von unten. Man kennt das ja: Manchmal sieht ein Schatten aus wie ein Monster. Bis man das Licht anmacht.
Der Stand der Dinge: Physiker, ratlos aber höflich
Andere Experimente – etwa IceCube, ein riesiges Neutrino-Observatorium direkt am Südpol – haben bisher keine vergleichbaren Signale gesehen. Auch das Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien, das seit 2004 auf ähnliche Phänomene lauert, hat nichts gefunden. Und wenn es zwei Ereignisse wirklich gegeben hat, sollten es laut den Modellen mindestens 34 gewesen sein.
Diese Nicht-Wiederholung lässt einige Wissenschaftler vermuten, dass ANITA einfach ein sehr spezielles, vielleicht einmaliges Ereignis eingefangen hat – oder sich schlicht etwas „verguckt“ hat. In der Wissenschaft passiert das öfter als man denkt. Nur selten jedoch so mysteriös.
Trotzdem ist der Reiz groß. Denn wenn es kein Fehler war, dann könnte das der erste Hinweis auf eine neue Physik sein – eine Erweiterung des Standardmodells, eine Brücke zu bislang unbekannten Teilchen, eine Revolution im Verständnis des Universums. Oder wie es ein Forscher ausdrückte: „Das Standardmodell ist tot – für dieses Ereignis.“
PUEO: Das bessere Ohr
Weil das Ganze zu spannend ist, um es auf sich beruhen zu lassen, kommt bald ein Nachfolger: PUEO – das steht für „Payload for Ultrahigh Energy Observations“ und ist quasi ANITA in besser. Mit empfindlicheren Antennen, modernerer Technik und der Hoffnung, dass beim nächsten Mal mehr als zwei Signale auftauchen. Oder wenigstens eines, das sich erklären lässt.
Bis dahin bleibt ANITA eine faszinierende Fußnote in der Geschichte der Teilchenphysik – und ein Paradebeispiel dafür, wie sehr die Wissenschaft manchmal zwischen Genie und Wahnsinn balanciert.
Nebenbei gesagt:
Ich weiß, das hat jetzt wenig mit Bürgergeld oder Genderwahn zu tun – aber wer mal sehen will, wie absurd unsere Welt auch ohne Teilchenphysik ist, kann hier über mein Einkaufstrauma lesen.
Das Ding is:
Manchmal zeigt uns das Universum nicht, was es ist – sondern was wir noch nicht wissen. ANITA hat Signale aufgezeichnet, die entweder ein riesiges Missverständnis sind oder der erste Flügelschlag einer neuen wissenschaftlichen Revolution. Beides ist spannend.
Was wir daraus lernen können: Wissenschaft lebt nicht von endgültigen Wahrheiten, sondern von Neugier, Fehlern, Fragen und dem Mut, sich selbst infrage zu stellen. Und manchmal – ja manchmal – kommt das Unbekannte eben nicht aus dem All. Sondern aus dem Eis.
Herzlichst, Mike
Diskutieren? Unbedingt. Was hältst du von diesen rätselhaften Signalen? Neue Physik oder nur ein Rauschen im System? Schreib’s mir in die Kommentare.
Quellen (Auswahl):
– Gorham et al., Physical Review Letters (2016, 2018)
– Fox et al., Physical Review D (2018): „The ANITA Anomalous Events as Sign of a Beyond-Standard-Model Particle“
– Penn State News (2020): „ANITA Signals: New Physics or Funky Radio Echo?“
– NASA Balloon Program (Offizielle ANITA-Webseite)
– IceCube Neutrino Observatory
– Pierre Auger Collaboration (2020): „Search for upward-going air showers“
– NASA Balloon Program Overview: https://www.csbf.nasa.gov/
– PUEO-Projektbeschreibung: Barwick et al., Journal of Instrumentation, 2021
– Weitere populärwissenschaftliche Darstellungen: Quanta Magazine, Spektrum.de, heise.de