
Also ganz ehrlich: Wenn das da ne Satiremeldung gewesen wär – „Friedenspreis geht an Mann, der ständig mehr Waffen fordert“ – ich hätte gelacht. Kurz. Dann geschluckt. Und dann weitergeblättert.
Aber das ist keine Satire. Das ist Deutschland 2025. Da kriegt ein Historiker einen Friedenspreis, der im Prinzip sagt: Reden ist Zeitverschwendung, Waffen sind die Lösung. Und das nennt man dann verdienstvoll. Ich nenn’s zynisch.
Weil wenn das Frieden ist, dann will ich mal wissen, wie Krieg aussieht.
Der Friedensbegriff im Schleudergang
Früher war „Frieden“ noch was mit weißen Tauben, Diplomatie, Gesprächen, schwerem Herz, aber gutem Willen. Heute reicht’s, wenn du russlandkritisch bist, laut „mehr Waffen!“ rufst und dabei möglichst gebildet wirkst – zack, Preis!
Ich mein’s ernst: Schlögel hätte auch einfach ein Maschinengewehr in einen Bücherschrank stellen können, ein Schild dranhängen mit „Wissen ist Macht“ – und irgendwer hätte das als Kunst gefeiert. Oder als Haltung. Oder als Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs. Oder was weiß ich.
Fakt ist: Der Mann will keinen Frieden. Zumindest keinen, bei dem man mit dem Feind redet. Der will Sieg. Moralischen Sieg. Politischen Sieg. Mit viel Bums. Und wir sollen den Soundtrack dazu zahlen.
Frieden auf Steuerzahlerbasis
Jetzt mal Butter bei die Fische: Schlögel fordert nicht Waffen aus seinem Keller. Der meint unsere Waffen. Also: mit unserem Geld gekauft. Damit Leute in einem Krieg, der nicht unserer ist, weiter sterben können – weil Verhandlungen „nicht gehen“.
Was nicht geht: Dass wir über Jahre soziale Kälte schlucken, steigende Preise, marode Schulen und leere Regale in Pflegeheimen – und dann ruhig sein sollen, wenn Milliarden an die Front rollen. Wer sowas mit „Frieden“ betitelt, hat sich sein Wörterbuch offenbar auf Wish bestellt.
Unversöhnlichkeit als Tugend
Ich hab ja nix gegen klare Haltung. Aber Schlögel steht für was, das inzwischen schon fast wieder gefährlich ist: für diese verkrampfte, arrogante Unversöhnlichkeit, die sich wie eine Standpauke in ein Mikrofon drückt – und dann auf Applaus wartet.
Er will keinen Dialog. Der will „richtige“ Geschichte, „richtige“ Moral, „richtige“ Seiten. Wer da was anderes denkt, ist verdächtig. Putinfreundlich. Irgendwas-ismus. Und damit raus.
Früher nannten wir sowas Schwarz-Weiß-Denken. Heute gibt’s dafür Preise.
Friedenspreis – sponsored by Doppelmoral™
Es ist doch irre: Der Friedenspreis war mal was. Eine Auszeichnung für Menschen, die vermitteln. Die was riskieren. Die Brücken bauen. Heute? Kriegst du ihn, wenn du intellektuell überzeugend erklären kannst, warum Verhandlungen Schwäche sind und warum wir uns bitteschön nicht so haben sollen, wenn Panzer rollen.
Ich frag mich, ob die Jury sich vorher einen „Schlögel Best-of“-Podcast reingezogen hat und dachte: „Boah, das ballert. Das is‘ genau der Vibe, den wir 2025 brauchen.“
Spoiler: Nein. Ist es nicht.
Wer für Frieden kämpft, stirbt leise
Weißt du, wer diesen Preis verdient hätte? Irgendein Typ, der in Charkiw mit beiden Seiten redet, während die Drohnen surren. Eine Frau, die versucht, Gefangene auszutauschen. Ein Pastor, der in Berlin zwischen Ukrainer und Russe dolmetscht, obwohl ihn beide nicht ausstehen können.
Die kriegen keinen Preis. Weil die nichts twittern. Nichts in Feuilletons schreiben. Und keine Reden halten, bei denen das Publikum wohlig nickt und sich dabei für wahnsinnig differenziert hält.
Nee, Preise kriegt, wer die richtigen Worte für das falsche Verhalten findet.
Der Frieden als Marketingidee
Ich weiß, klingt hart. Ist aber so. Frieden ist längst kein Ziel mehr. Frieden ist ein Etikett. Ein Label. So wie „klimaneutral“, „glutenfrei“ oder „moralisch überlegen“. Hauptsache, es klingt gut auf dem Preisbanderolenfoto.
Und ganz ehrlich: Ich trau diesem Friedenspreis mittlerweile so weit, wie ich ihn werfen kann – und das ist bei einem symbolisch überladenen Buchpreis nicht besonders weit.
Die Frage ist nicht mehr: „Was zeichnet der Preis aus?“
Sondern: „Was sagt das über uns, wenn wir sowas auszeichnen?“
Was bleibt?
Was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack. Und ein dickes Fragezeichen hinter dem Wort „Frieden“.
Denn wenn der Friedenspreis jetzt denen überreicht wird, die Krieg verlängern, nicht beenden wollen – was genau feiern wir dann da? Den Mut zur Eskalation? Die Kunst, Kriegspropaganda als Intellektualität zu verkaufen?
Ich sag’s mal so: Wenn ich nächstes Jahr lese, dass Rheinmetall für seine „Verantwortungsethik“ geehrt wird, wundert mich gar nichts mehr.
Das Ding is:
Wenn du ständig mehr Waffen willst, keine Verhandlungen und null Kompromisse – dann kannst du vieles sein. Kriegsfreundlich. Patriotisch. Strategisch. Aber eins bist du sicher nicht: Friedensstifter.
Karl Schlögel ist brillant, ja. Aber er steht für eine Politik der Härte, des „Weiter so“, der Unversöhnlichkeit. Und das ist okay. Jeder darf diese Haltung haben. Aber sie mit einem Friedenspreis zu belohnen, ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die Frieden nicht nur sagen, sondern leben. Leise, anstrengend, unbequem.
Frieden braucht keine Preise. Frieden braucht Menschen. Und diese Menschen stehen nicht auf Bühnen. Sie stehen im Dreck, im Schatten, im Zweifel. Genau da, wo dieser Preis eigentlich hingehört.
Herzlichst,
Mike