
Wie Friedrich Merz Deutschland zum Premiumkunden des Krieges macht – ein politisches Trauerspiel in mehreren Akten
Akt I: Endlich wieder wer in der Welt – als Waffenabnehmer
Man muss sich das einmal ganz in Ruhe durch das zitternde Zwerchfell gehen lassen: Der neue Kanzler der Bundesrepublik Deutschland – Friedrich Merz, auch bekannt als der Herr mit dem eingebauten Taschenrechner hinter der Stirn – fährt nach Washington und bittet darum, dort endlich Waffen kaufen zu dürfen. Nicht, weil Deutschland angegriffen wurde. Nicht, weil wir Panik hätten, dass Luxemburg in der Nacht über die Eifel herfällt. Nein, sondern weil man ja irgendwie mitmachen muss, wenn Krieg das neue Schwarz ist.
Der Bittgang nach Übersee hat allerdings nichts mehr von Souveränität. Es wirkt eher wie eine Rabattaktion kurz vor Börsenschluss. Man fragt sich beinahe: Hat Merz einen Gutschein gehabt? Oder ein Treuepunkteheft? Fünf Drohnen, die sechste gratis? Auch darüber habe ich hier bereits geschrieben.
Was bleibt, ist der Eindruck eines Kanzlers, der seine ganze politische Bedeutung daraus zieht, der brävste aller Alliierten zu sein. Der Mann, der sagt: „Wenn ihr Krieg wollt, zahlen wir ihn euch. Mit allem, was wir haben. Hauptsache, wir dürfen die Panzer polieren.“
Akt II: Soziale Gerechtigkeit muss jetzt leider draußen bleiben
Während sich Berlin und Washington die Waffenpreise zuraunen wie Teenies beim Taschengeldpoker, wird hierzulande gespart. Und zwar nicht irgendwo, sondern exakt dort, wo es richtig weh tut – bei Pflege, Bildung, Rente. Merz hat das in seiner ersten Rede im Bundesrat auch nicht etwa verschleiert, sondern ganz offen angekündigt: Die gigantischen Aufrüstungsschulden, die CDU, SPD, Grüne und Linke (!) gemeinsam beschlossen haben, werden über umfassende Sozialkürzungen beglichen.
Und damit das Ganze nicht nach zynischem Machtspiel klingt, wurde ein altbewährtes Argument ausgepackt: die „Verantwortung gegenüber der Generation unserer Kinder und Enkelkinder“. Wer könnte da schon widersprechen? Wer würde sich schon gegen die eigenen Enkel stellen? Nur: Wenn man den Kindern ihre Zukunft sichert, indem man ihnen schon heute das Essen aus der Schulkantine streicht, dann nennt man das nicht Verantwortung – sondern systematische Lebensverhinderung.
Und ja, auch das muss man sagen: Die künftigen Generationen werden nicht nur den Schuldenberg der Aufrüstung abtragen müssen, sie werden auch unter einem Bildungs- und Gesundheitssystem leben, das man eigentlich nur noch mit Baustellenhelm betreten sollte. Aber Hauptsache, wir haben genug Raketen. Wie verrückt das Prioritäten-Chaos ist, habe ich hier schon einmal deutlich gemacht
Akt III: Wer keine Richter berufen kann, sollte keine Raketen bestellen
Während Merz sich in der globalen Sicherheitsarchitektur einrichtet wie ein Kind im neuen Hochbett, funktioniert die ganz alltägliche Regierungsarbeit hinten und vorne nicht mehr. Beispiel gefällig? Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Dort sind Spitzenposten unbesetzt – nicht, weil niemand da wäre, sondern weil sich niemand zuständig fühlt. Vielleicht ist das auch gar kein Versehen. Vielleicht ist Karlsruhe einfach nicht sexy genug, um sich dort um Grundrechte zu kümmern. Oder es fehlt der Verteidigungshaushalt, um Bewerber mit Nachtsichtgeräten zu locken.
Dass eine Regierung, die nicht mal in der Lage ist, einfache Personalentscheidungen zu treffen, sich selbst als kriegsfähig und global verantwortungsvoll stilisiert, ist in etwa so glaubwürdig wie ein Veganer im Schnitzeltest.
Akt IV: Die Friedensdividende wurde beerdigt – ohne Blumen
Früher war das mal ein Begriff, mit dem man gern geprahlt hat: Friedensdividende. Also das Geld, das man nicht für Krieg ausgeben musste, weil man sich diplomatisch verhielt. Heute sagt Merz dazu ganz offen: „Die ist aufgebraucht.“ Wie eine Tube Zahnpasta. Wie der Vorrat an Empathie im Bundestag.
Und damit ist es amtlich: Die Regierung hat sich vom Versuch verabschiedet, Konflikte mit Gesprächen zu lösen. Es geht nicht mehr um Diplomatie. Es geht nicht mehr um Interessenausgleich. Es geht nur noch darum, auf der richtigen Seite zu stehen – militärisch, moralisch, monetär. Dass man dabei jeden Kompass verliert, scheint niemanden zu stören. Im Gegenteil: Wer heute für Diplomatie plädiert, wird als rückwärtsgewandt oder gleich als Putinfreund beschimpft.
Die neue Linie lautet: Wer Frieden will, muss liefern. Waffen, versteht sich.
Akt V: Der Kanzler als Hausmeister der US-Rüstungsindustrie
Und Merz? Der genießt seine neue Rolle. Als ob er all die Jahre nur darauf gewartet hätte, endlich sagen zu dürfen: „Wir werden aufrüsten. Und zwar richtig!“ Da leuchten seine Augen. Da glänzt die Glatze im Scheinwerferlicht der NATO.
Es ist ein bisschen, als ob Deutschland endlich wieder jemand sein will. Aber nicht durch Forschung, durch Bildung oder durch soziale Gerechtigkeit. Sondern durch Raketen. Merz spricht von Verantwortung, aber lebt politisches Stockholm-Syndrom: Wir fühlen uns sicher, wenn wir zahlen. Für andere. Für Waffen. Für Kriege, die wir selbst nicht führen, aber gerne finanzieren.
Und niemand fragt: Wo ist eigentlich unser eigenes Interesse? Wo ist die Souveränität, von der so viele schwärmen, wenn’s um Migration geht – aber die plötzlich verpufft, wenn Washington mit dem Zeigefinger winkt?
Akt VI: Kinder retten mit Panzerkrediten
Der perfideste Teil an diesem Schauspiel ist aber nicht die Dreistigkeit der Waffenwünsche, sondern die rhetorische Tarnung: Der ganze Sozialkahlschlag wird als Fürsorge verkauft. Als Generationengerechtigkeit. Als Vorsorge. Als ob man mit einem Rüstungshaushalt von 100 Milliarden Euro die Zukunft unserer Kinder sichern könnte. Als ob Bildung überbewertet sei, wenn man auch Uniformen tragen kann.
Und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Diese Regierung streicht Gelder für Rentner, für Pflegebedürftige, für Schüler und für Menschen mit Behinderung – mit der Begründung, dass sie „an morgen denkt“. Als wäre ein Schuldenberg für Waffen weniger belastend als ein intaktes Pflegesystem. Als würde eine Bibliothek mehr kosten als ein Tarnkappenbomber.
Akt VII: Wer Kritik übt, wird entwaffnet – moralisch
Natürlich gibt es Stimmen, die das kritisieren. Aber die werden sofort entwaffnet – moralisch, versteht sich. Wer nachfragt, warum Deutschland sich so massiv in diesen Krieg verwickeln lässt, warum wir Waffen statt Friedensverhandlungen unterstützen, der wird sofort in die Ecke gestellt: Putinfreund. Extremist. Demokratieverächter.
Dabei wäre es dringend notwendig, genau diese Fragen zu stellen. Nicht aus Feigheit. Sondern aus Verantwortung. Und aus Vernunft.
Aber in einem Land, in dem die größte Tugend aktuell Gehorsam heißt und der größte Skandal ein Friedensappell sein kann, ist es schwer geworden, den gesunden Menschenverstand zu behalten, ohne als radikal zu gelten.
Das Ding is:
Diese Bundesregierung hat nicht nur keine friedenspolitische Vision – sie hat offensichtlich auch keine Sorge mehr, dass man sie dafür kritisieren könnte. Der Ton ist gesetzt: Wer für Aufrüstung ist, gehört zur „staatstragenden Mitte“. Wer für Frieden eintritt, gilt als suspekt.
Dabei ist genau das das eigentliche Problem: Eine Regierung, die sich ihrer eigenen Macht so sicher ist, dass sie ohne jede Rechenschaft Waffen kauft, Kriege mitfinanziert und gleichzeitig den Sozialstaat zerschneidet – hat den Kompass verloren. Oder schlimmer: Sie weiß genau, was sie tut – und tut es trotzdem.
Die Zeche zahlen andere. Unsere Kinder. Unsere Eltern. Wir alle. In Form von schlechterer Bildung, schlechterer Pflege, sinkender Lebensqualität und wachsender Angst. Die Schulden für Panzer werden nicht weniger. Die Schulden an Vertrauen aber auch nicht.
Was wir brauchen, ist keine Regierung, die in Washington bettelt – sondern eine, die in Berlin denkt. Keine Kanzler, die aufrüsten wollen – sondern welche, die verstehen, dass Diplomatie keine Schwäche ist. Und keine Koalitionen, die Kriegsetats feiern – sondern Menschen, die endlich wieder Politik für dieses Land machen.
Herzlichst, Mike
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