
Zwischen Links, Rechts und Wahnsinn – warum ich mich keiner Partei mehr zumuten will
Ich werde oft gefragt, wo ich politisch stehe. Und das ist schön. Weil es zeigt, dass Menschen mich noch nicht ganz aufgegeben haben. Es zeigt aber auch: Die Leute sind verwirrt. Denn die einen halten mich für einen verkappten AfD-Sympathisanten, die anderen für einen linken Weltverbesserer mit schlechten Manieren. Wieder andere sind sich sicher: „Der ist doch eigentlich SPD – aber mit Wutproblem.“
Tja. Die Wahrheit ist: Ich war mal SPD-Mitglied. Und das war auch okay. Wie ein Besuch bei IKEA. Man kommt mit großen Idealen, geht mit Rückenschmerzen und drei unnötigen Kompromissen. Irgendwann habe ich mein Parteibuch zurückgegeben. Nicht aus Trotz, sondern aus Vernunft. Ich wollte der SPD nicht weiter zur Last fallen. Und mir selbst auch nicht.
Heute bin ich politisch heimatlos. Oder anders gesagt: Ich sitze auf keinem Stuhl mehr – sondern auf dem Fußboden. Und das mit Absicht.
Die Quadratur des politischen Irrsinns
Ich glaube, das ist der Punkt, an dem ich mir selbst einen Aluhut stricken sollte. Denn ich bin konservativ und sozial. Ich finde, Migration muss begrenzt werden – und gleichzeitig, dass der Mensch kein Stück Gepäck ist, das man über die Grenze schubst oder eben nicht. Ich finde: Nicht jeder, der hier ankommt, sollte bleiben. Aber jeder, der bleibt, sollte menschenwürdig behandelt werden.
Und ja – jeder, der bleibt, sollte sich auch benehmen. Das ist jetzt nicht zu viel verlangt. Klar gibt’s auch jede Menge dämliche Deutsche – leider können wir die nicht abschieben. Auch wenn’s manchmal ganz schön verlockend wäre.
Ich glaube, dass Grenzkontrollen so hilfreich sind wie ein Kondom aus Watte. Was wir brauchen, ist ein Asylsystem, das funktioniert. Nicht: „Wir kontrollieren alle!“, sondern: „Wir prüfen fair, schnell und konsequent.“ Und ja – an dieser Stelle zitiere ich gern Frau Wagenknecht. Nicht weil ich ihrem Fanclub beigetreten bin. Sondern weil sie recht hat, wenn sie sagt: Es bringt nichts, wenn man Schutz braucht, aber erstmal vier Jahre Klageverfahren und fünf Widersprüche hinter sich bringen muss, um dann im Jobcenter auf eine Sachbearbeiterin zu treffen, die ausschließlich in Caps Lock kommuniziert.
Und es bringt auch nichts, wenn Menschen ohne Schutzstatus trotzdem für immer bleiben – weil sich keiner traut, Entscheidungen zu treffen. Das ist wie beim Zahnarztbesuch: Je länger du’s rausschiebst, desto teurer wird’s. Nur dass es hier nicht um Wurzelbehandlungen geht, sondern um Vertrauen, Integrität und Staatlichkeit.
Geld, Gerechtigkeit und der ganz normale Wahnsinn
Ich finde auch: Wer in Deutschland lebt und arbeitet, sollte in die Rentenkasse einzahlen. Alle. Ausnahmslos. Egal ob Dachdecker, Bundestagsabgeordneter oder YouTube-Coach für „Alpha-Mindsets“. Das Prinzip ist simpel: Wenn alle einzahlen, haben auch alle mehr davon. Aber stattdessen zahlen wir lieber Beamtenpensionen mit dem Geld derer, die 45 Jahre lang am Fließband standen. Wieso? Weil sich sonst die Beamtenschaft aufregt? Ja gut. Dann regt sie sich halt auf. Dafür dürfen Rentner dann vielleicht 2040 wieder Toast essen, ohne vorher das Konto zu überziehen.
Ich finde auch, dass Arbeit sich lohnen muss. Und zwar nicht dadurch, dass man die, die nichts haben, noch weiter runterschubst. Sondern indem man die, die auszahlen, dazu bringt, endlich anständig zu bezahlen. Ein Lohn, von dem man leben kann – das ist keine sozialistische Utopie, das ist Mindestanstand. Und wer damit nicht klarkommt, sollte vielleicht seine Yacht verkaufen und anfangen, sich morgens wieder selbst den Kaffee zu machen.
Wagenknecht, Warnung, Wahrheit
Jetzt könnte man sagen: Du redest wie die Wagenknecht. Mag sein. Vielleicht sollten wir einfach mal den Gedanken zulassen, dass nicht jede Meinung, die auch von der falschen Seite applaudiert wird, automatisch falsch ist. Ich will nicht in einem Land leben, in dem politische Ideen nur noch dann erlaubt sind, wenn sie keinem „falschen“ Applaus ausgesetzt sind.
Sahra Wagenknecht sagt: „Deutschland ist überfordert.“ Und das stimmt. Kommunen sind überfordert, Schulen, Wohnungsämter, Integrationskurse. Nicht, weil Ausländer doof sind. Sondern weil wir ein System gebaut haben, das eher an einen Wassereimer ohne Boden erinnert.
Sie sagt auch: „Asylverfahren gehören nach draußen.“ Klingt hart. Ist es auch. Aber der Gedanke dahinter ist: Wer Schutz braucht, soll ihn bekommen – schnell, direkt, ohne Umweg durch Schleusernetzwerke, überfüllte Busbahnhöfe und monatelange Unsicherheit. Und wer keinen Schutz braucht, soll das auch erfahren. Ebenfalls schnell. Nicht nach fünf Jahren mit deutschem B1 und unterschriebener Vereinsmitgliedschaft beim TuS Hintertupfingen.
Und wenn man ehrlich ist, dann haben wir in Deutschland nicht zu viele Flüchtlinge. Wir haben zu wenig Ehrlichkeit. Zu wenig Mut, Dinge beim Namen zu nennen, ohne gleich als Unmensch abgestempelt zu werden. Und zu viele Parteien, die entweder alles verbieten oder alles erlauben – je nachdem, wer gerade laut genug schreit.
Ich. Ein Parteiprogramm. Und eine Flasche Wein.
Manchmal denke ich mir: Vielleicht sollte ich einfach mein eigenes Parteiprogramm schreiben. Ich nenne sie: Die WMP – „Wenigstens Mit Prinzipien“. Programm: Realismus mit Herz, Konsequenz mit Augenmaß, Diskurs ohne Maulkorb. Oder auch: Einfach mal die Dinge zu Ende denken, bevor man sie twittert.
Ich will keine Partei, die mir sagt, was ich zu fühlen habe. Ich will keine Talkshow, in der sich drei Professoren und ein Clown darüber streiten, ob man „Remigration“ sagen darf. Ich will, dass wir wieder miteinander reden können – ohne das Gefühl, dass jedes Wort ein Minenfeld ist und jedes „Ich sehe das anders“ gleich zu einem Shitstorm führt.
Ich will, dass wir begreifen: Man kann Migration kritisch sehen und trotzdem ein gutes Herz haben. Man kann soziale Politik fordern, ohne jeden zu alimentieren, der schneller „Asyl“ sagen kann als „Guten Tag“. Und man kann zugeben, dass Sahra Wagenknecht manchmal klüger redet als 90 Prozent der Bundestagsabgeordneten – ohne gleich ihrer Partei beizutreten oder wählen zu müssen.
Das Ding is:
Ich habe keine Partei mehr, weil ich keine mehr ertrage, die mir vorgaukelt, dass alles entweder ganz einfach oder ganz böse ist. Ich will Ehrlichkeit, Komplexität, Diskurs. Und ja, manchmal auch ein bisschen Sarkasmus. Ich glaube nicht an einfache Lösungen – aber ich glaube an einfache Prinzipien: Gerechtigkeit. Verantwortung. Freiheit. Und ein funktionierendes Asylsystem, das hilft – den richtigen.
Vielleicht ist das naiv. Vielleicht ist das unbequem. Aber was soll’s. Ich sitze ohnehin schon zwischen allen Stühlen. Und ich hab’s mir gemütlich gemacht.
Herzlichst,
euer Mike Hardel
Du denkst anders? Du denkst weiter? Oder du willst mich einfach anschreien?
Dann ab in die Kommentare – ich freu mich auf echten Diskurs.