
Also mal ganz ehrlich: Ich hab’s langsam satt, immer wieder diese Demokratie zu verteidigen. Es ist anstrengend. Vor allem, wenn sie sich ständig selbst ins Bein schießt – und dann weinerlich jammert, dass der böse Populismus auf dem Vormarsch sei. Ja, warum wohl?
Stellen wir uns mal vor, jemand spielt Schach. Und kurz bevor der Gegner einem die Dame schlägt, ruft man: „Moment! Ich hab grad beschlossen, dass du keine Dame schlagen darfst. Weil du doof bist. Und deine Züge riechen nach Nationalismus.“
So ungefähr funktioniert gerade unsere gelebte Parlamentskultur. Demokratie light – mit Moralnote.
Willkommen in der Demokratie, bitte ohne störende Opposition
In diversen Landesparlamenten – und auch im Bundestag – sieht sich die größte Oppositionspartei, also in aller Deutlichkeit: die AfD, mit einer ganz neuen Form politischer Hygiene konfrontiert. Man lässt sie schlicht und ergreifend keine Ausschussvorsitze übernehmen. Obwohl es gute parlamentarische Praxis wäre. Obwohl es der Wählerwille hergibt. Obwohl das Parlament eigentlich dazu da ist, auch unbequeme Stimmen zu integrieren.
Nein, lieber dreht man sich institutionell die Regeln so zurecht, dass die Partei einfach ausgebremst wird. Demokratisch, versteht sich. Natürlich. Im Sinne des Anstands. Im Kampf gegen rechts. Gegen das Böse. Gegen alles, was auf Telegram ein Profilbild mit Deutschlandfahne hat.
Wäre die AfD ein Staubsaugervertreter, hätte man ihr inzwischen nicht nur die Tür vor der Nase zugeschlagen, sondern auch den Gehweg davor privatisiert, ein Schild mit „Hausverbot für Hass“ aufgestellt und in der Einfahrt ein Windrad installiert. Nur zur Sicherheit. Vielleicht auch zwei.
Die neue Regel: Wer uns nicht gefällt, darf nicht mitspielen
Der Punkt ist: Eine Demokratie zeichnet sich nicht dadurch aus, dass alle nett zueinander sind. Sondern dadurch, dass sie Mechanismen hat, auch mit den Unnetten umzugehen. Mit den Lauten. Mit den Querulanten. Und mit denen, die einem am liebsten die GEZ abschaffen würden. Oder einfach nur mal fragen, warum ein Döner inzwischen 8,50 Euro kostet.
Aber nein – heute basteln sich viele demokratische Parteien ihre Demokratie lieber zusammen wie ein Ikea-Regal: Nur das rein, was ins Wohnzimmer passt. Und alles, was wackelt oder komisch riecht, kommt zurück in die ideologische Restmülltonne. Politische Mitbestimmung nur bei charakterlicher Eignung. Herzlichen Glückwunsch.
Ausschussvorsitz? Nur für die Guten. Wer sind die Guten? Die, die das Richtige sagen. Und das entscheidet… Überraschung! Die Guten. Das nennt man dann „wehrhafte Demokratie“. Und wenn’s ganz schlecht läuft, merkt keiner mehr den Unterschied zu einer autoritären Clique mit moralischem Gütesiegel.
Der moralische Endsieg über das Parlament
Natürlich klingt es erstmal sympathisch: „Wir wollen keine Rechtsradikalen in Schlüsselpositionen!“ Klingt edel. Klingt anständig. Klingt nach Alarmismus mit Haltung.
Blöd nur, dass man dabei Wählerwillen ignoriert, Grundprinzipien des Parlamentarismus beschädigt und am Ende vor allem eins erreicht: Dass sich genau die Leute bestätigt fühlen, die man eigentlich marginalisieren will.
Nein, die AfD ist keine Volkspartei. Auch wenn sie das gerne wäre.
Sie ist auch keine Partei des kleinen Mannes – außer der kleine Mann steht auf neoliberale Rentenpolitik, wenig Sozialstaat und mittelmäßige Kostüme.
Und ja, es gibt Rechtsextreme in der AfD, und zwar nicht zu knapp. Wer das leugnet, trinkt auch Heizöl mit Honig und Eiswürfeln.
Aber! Und das ist der Knackpunkt: Das alles entbindet niemanden davon, sich an demokratische Regeln zu halten. Auch nicht, wenn’s einem schwerfällt. Auch nicht, wenn’s weh tut. Vor allem nicht dann.
Die Ausschüsse sind kein Ponyhof
Ausschüsse sind der Maschinenraum des Parlaments. Dort wird gearbeitet, gerungen, gefeilscht, kontrolliert. Und es ist gute demokratische Praxis, dass die Opposition dort den Vorsitz übernehmen darf, um die Regierung zu kontrollieren.
Wenn die stärkste Oppositionspartei – nun mal die AfD – dort ausgeschlossen wird, dann ist das kein Zeichen von Stärke, sondern von politischer Angst und moralischer Arroganz. Es ist so, als würde man beim Fußball dem Gegner den Ball wegnehmen – weil man Angst hat, er könnte ein Tor schießen. Fair Play war gestern. Heute gibt’s Doppelmoral mit Applaus.
Aber statt gute Politik zu machen, um Wähler zurückzuholen, wird lieber symbolisch auf die AfD eingedroschen, wie auf einen Flachbildfernseher im Black Friday-Rausch. Nur mit dem Unterschied, dass der Fernseher am Ende wenigstens kaputt ist – die AfD wird dadurch eher stabiler.
Linke Denkverweigerung und der Untergang des Diskurses
Und dann wäre da noch die sogenannte Linke. Die, die sich früher einmal auf Fahnen geschrieben hatte, für Meinungsfreiheit, Debattenkultur und gesellschaftliche Teilhabe zu stehen. Heute?
Ein Instagram-Post mit einem Regenbogen reicht, um sich als Widerstandskämpfer zu fühlen.
Gleichzeitig wird jede abweichende Meinung zur Gefahr, jede Diskussion zur Zumutung, jede rechte Position zur Pest.
Und statt mit besseren Argumenten zu überzeugen, schwenkt man lieber das moralische Fallbeil.
Kritik an Zuwanderung? Nazi.
Skepsis gegenüber der Ampel? Demokratiefeind.
Wahl der AfD? Psychopath, vielleicht auch einfach dumm.
Und wer sich gegen Ausschluss aus dem Ausschuss wehrt? Der hat wohl das Grundgesetz nicht verstanden.
Ich sag’s mal so: Wenn die linke Szene fast alles und jeden nur noch als Feind erkennt, der mit Glatze und Baseballschläger rumläuft, hat sie irgendwas Entscheidendes verpasst. Vielleicht die Realität. Vielleicht den Punkt. Vielleicht auch die letzte intakte Hirnwindung.
Wenn der politische Gegner zum Dämon wird, verliert die Demokratie ihre Nerven
Die AfD ist ein politischer Gegner. Kein Dämon. Und solange wir sie wie einen Dämon behandeln, stärken wir nur ihren Mythos.
Statt sie durch politische Kompetenz, soziale Lösungen und glaubwürdige Auftritte kleinzukriegen, machen wir sie zu Opfern einer demokratischen Doppelmoral – und das zieht.
Vor allem bei jenen, die sich seit Jahren nicht mehr vertreten fühlen. Und davon gibt’s nicht wenige.
Will man also wirklich verhindern, dass sich Menschen von der Demokratie abwenden, dann wäre es ein Anfang, sie nicht nur dann zu verteidigen, wenn’s bequem ist. Sondern auch dann, wenn’s weh tut. Vor allem, wenn es um Gerechtigkeit, nicht Geschmack geht.
Das Ding is:
Wenn demokratische Parteien anfangen, Regeln zu brechen, um gegen unbequeme Parteien zu kämpfen, dann beschädigen sie nicht nur das System, das sie angeblich schützen wollen – sie geben der AfD auch genau das, was sie braucht: das Narrativ vom unterdrückten Mahner, vom „Einzigen, der sich noch traut“.
Das ist nicht nur kurzsichtig. Es ist politisch dumm. Wer die AfD wirklich schwächen will, braucht keine Ausschlussverfahren, sondern gute Politik, glaubwürdige Alternativen und eine Debattenkultur, die diesen Namen verdient.
Und ja – das bedeutet auch, dass die AfD Ausschussvorsitze bekommt, wenn sie das parlamentarisch zusteht. Alles andere ist Wahlkampf mit Brechstange. Und der richtet am Ende mehr Schaden an, als die AfD es je könnte.
Demokratie muss das aushalten können. Sonst ist sie nur eine PR-Kampagne mit Fähnchen und Applaus vom eigenen Team.
Herzlichst,
euer Mike Hardel
Diskutiert mit – muss Demokratie alles aushalten, oder gibt es berechtigte Grenzen? Wo seht ihr den Kipppunkt zwischen Wehrhaftigkeit und Willkür?
Was haben die deutschen gegen die AfD. Tut mir leid das zu sagen. Nach 1970 hat kein deutscher etwas mit dem 2 ten Weltkrieg gemeinsam. Keiner der nach dieser Zeit geboren ist man sich an etwas von der Zeit erinnern. Sie wissen nur es wahr schlim. Es ist 2025 und Deutschland hat Angst das irgend ein Land sie damit beschuldigt nazi zu sein. Ich als Türke verstehe nicht warum jemand Angst hat mit etwas zu beschuldigt zu werden was vor 80 Jahren wahr. Wen etwas nicht in meinem Land in Ordnung ist und der einzige Weg nur wegen Angst vor einer Meinung von menschen sind die Scheu klappen auf haben ist. Dan muş echt was kaput sein in der Gesellschaft.
Danke für deinen Kommentar – und ja, du sprichst etwas Wichtiges an.
Du bist Türke und wunderst dich, warum Deutschland 80 Jahre nach dem Krieg noch immer mit zitternder Oberlippe auf alles reagiert, was auch nur entfernt nach „rechts“ riecht.
Ich sag’s mal so:
Deutschland hat nicht nur aus der Geschichte gelernt – es hat sie eingerahmt, einbetoniert und mit Bewegungsmelder versehen.
Bei uns kannst du sagen, dass die Steuern zu hoch sind – aber wenn du es mit dem falschen Ton sagst, giltst du als gefährlich.
Und wehe, du sagst, die AfD sei nicht das personifizierte Böse – dann hast du ganz schnell einen Shitstorm deluxe am Hals.
Nicht, weil du Nazi bist. Sondern weil viele gar nicht mehr unterscheiden wollen, was Meinung, Kritik oder demokratische Opposition ist.
Und jetzt wird’s paradox:
Wer heute jeden zweiten Menschen vorschnell als Nazi bezeichnet – verharmlost dabei die echten Nazis.
Denn wenn alles rechts ist, was nicht links genug ist – dann ist am Ende nichts mehr schlimm. Und das ist eine gefährliche Form der Relativierung, die viele gar nicht merken.
Die Verbrechen von damals waren einzigartig – und sie bleiben es auch.
Aber wer den Begriff inflationär benutzt, sorgt dafür, dass er irgendwann nichts mehr bedeutet. Und dann hat niemand gewonnen – außer die, die wirklich nichts Gutes im Sinn haben.
Du hast recht:
Niemand, der nach 1970 geboren ist, trägt Schuld.
Aber viele in diesem Land verwechseln Erinnerungskultur mit Schuldübertragung. Und das führt nicht zur Aufklärung – sondern zu Angst. Angst, falsch zu denken. Falsch zu sprechen. Falsch zu wählen.
Und genau da wird es gefährlich.
Wenn man aus Angst vor Etiketten beginnt, Grundrechte auszuhebeln, Ausschüsse zu verweigern oder den Diskurs zu beenden –
dann ist nicht die AfD das Problem.
Dann ist das Problem: eine Gesellschaft, die verlernt hat, Widerspruch auszuhalten.
Danke Seyhan dir für deine Sicht. Ehrlich.